Madagaskar: Papst Franziskus hat eine große Insel am Rande des Abgrunds besucht

10/09/2019 Leuven – In dem von Armut, Stagnation und Korruption geprägten Land wurde die Ankunft des Heiligen Vaters als großes Ereignis erwartet. 58 Prozent aller Madagassen sind Christen.

In der Diözese Soamandrakizay in Androhibe im Süden von der Hauptstadt Antananarivo, hatten die Behörden ein 60 Hektar großes Gelände für die Heilige Messe zur Verfügung gestellt, die Papst Franziskus am Sonntag, den 8. September gefeiert hat. Zuletzt hatte mit Johannes Paul II. vor 30 Jahren ein Papst die Insel besucht.

Der Vinzentinerpater Pedro Opeka lebte damals bereits auf Madagaskar und konnte den polnischen Papst empfangen. In einem Interview mit der päpstlichen Stiftung Kirche in Not hatte er versichert, dass der jetzige Papst mit Spannung erwartet wurde. „Das wird der Wahnsinn“, hatte er schmunzelnd gesagt. „Er wird an den Ort gehen, an dem sich früher eine alte Müllhalde befand, die wir in ein Dorf verwandelt haben. Es ist, als würde er es weihen!“ Es handelt sich um ein Werk zugunsten der Ärmsten, dessen Bau im Jahr des letzten Papstbesuches 1989 begonnen wurde. Innerhalb der vergangenen 30 Jahre hat die Initiative mehr als 500.000 Menschen in Not geholfen.

Das fünftärmste Land der Welt

Pater Pedro kennt die madagassische Gesellschaft seit 1975. Er zeichnet ein Bild mit Licht und Schatten. Madagaskar war bereits arm, als er dort ankam. Doch seitdem ist das Elend noch größer geworden. Die Kleinbauern, die früher die Mehrheit der Inselbewohner ausmachten, leben heute neben den Stadtbewohnern und haben große Schwierigkeiten, Arbeit zu finden. Die sozialen Spannungen nehmen zu. „Vor 30 Jahren“, erinnert sich Pater Pedro, „bin ich hier auf der Insel hingegangen, wohin ich wollte. Heute ist dies nicht mehr möglich, weil wir uns in einer bürgerkriegsähnlichen Situation befinden“. Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds ist Madagaskar derzeit das fünftärmste Land der Welt. Die Kirche und ihre Missionare sind ein zerbrechliches Bollwerk gegen die Lawine der Armut, die das Land heimsucht. Aber „sie sind es, die verhindern, dass das Land untergeht“, so Pater Pedro.

Der Geistliche versichert jedoch, dass das madagassische Volk über Ressourcen verfügt, und dass sich die Situation zum Besseren entwickeln kann. „Wohin ich auch gehe, fragen mich die Menschen, ob ich Arbeit für sie habe. Das ist alles, was sie wollen. Sie haben genug Kraft, eine unglaubliche Kraft!“. Seiner Ansicht nach hat die Insel am meisten unter dem Versagen der Politik gelitten. Der Boden der Insel enthält geologische Schätze – hauptsächlich Aluminium und Nickel – aber kaum ein Prozent dieses Reichtums kommt dem Land wirklich zugute. „Was die Zukunft Madagaskars weiterhin untergräbt, sind eine fortschrittsfeindliche Mentalität und institutionalisierte Korruption“, bedauert Pater Pedro.

Für die Insel ist der Augenblick der Wahrheit gekommen

Dennoch gibt es einen Hoffnungsschimmer mit dem neuen madagassischen Präsidenten Andry Rajoelina, der 2018 gewählt wurde. Das junge Staatsoberhaupt (Jahrgang 1974) hat vor allem von der Stimme einfacher Bevölkerungsschichten profitiert. Er versichert, dass „er sie nicht vergessen wird“. Pater Pedro seinerseits glaubt ihm, warnt aber: „Ich gebe ihm zwei Jahre Zeit, um zu sehen, was er wirklich tut. Wenn es ihm nicht gelingt, die Dinge voranzubringen, werde ich nie wieder an einen Politiker glauben.“ Viele Menschen scheinen Pater Pedros Ansicht zu teilen, dass das Land mit dem Rücken zur Wand steht. „Wenn keine Reformen durchgeführt werden, wird die madagassische Gesellschaft auseinanderbrechen.“

Der Franziskaner Jacques Tronchon koordiniert mit Unterstützung von Kirche in Not ein eindrucksvolles Projekt zur Wiedereingliederung madagassischer Familien in den ländlichen Raum, die in absoluter Hilfsbedürftigkeit am Rande der Hauptstadt zusammengepfercht und unter menschenunwürdigen Bedingungen leben. Auch er ist besorgt über die Lage im Land: „Der Kampf gegen die extreme Armut, die in Madagaskar seit langem verbreitet ist, bleibt bis heute eine große Herausforderung. Die Exzesse mehrerer Regierungen haben die Schwierigkeiten verschärft, obwohl dieses riesige Land über ein großes Potenzial verfügt und in mehreren Regionen große Erfolge erzielen könnte. Die Gegensätze zwischen den Regionen des Landes und die Umstände im Zusammenhang mit den Machtkämpfen zwischen den Hauptmächten machen eine harmonische Entwicklung dieses schönen Landes sehr unsicher – ganz zu schweigen von den klimatischen Bedrohungen im Zusammenhang mit saisonalen Wirbelstürmen.“

Das Land ist in der Tat geteilt, auch auf religiöser Ebene. Religion hat einen großen Einfluss auf die Gesellschaft. Zusammen mit den großen christlichen Konfessionen gibt es eine starke Verbreitung aller Arten von Kirchen, die oft miteinander konkurrieren. Pater Jacques: „Die führende Stellung der katholischen Kirche erscheint mir dennoch offensichtlich dank der starken Präsenz der Diözesen und aller möglichen Ordensgemeinschaften, die Sozialwerke in allen Bereichen fördern.“

Trotz aller Unterschiede ist der Franziskanerpater überzeugt, dass „letztlich das ganze Volk Gottes in Madagaskar, das sich aus Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund zusammensetzt, gekommen ist, um Papst Franziskus willkommen zu heißen und gemeinsam mit ihm Gott zu danken.“

Im Rahmen des Besuchs von Papst Franziskus in Madagaskar wurde eine Gebetszeit mit kontemplativen Ordensschwestern von der ganzen Insel geplant. Dieses Gebetstreffen hat in der Kapelle der Karmelitinnen vom heiligen Josef in der Hauptstadt Antananarivo stattgefunden. Das Dach der Kapelle wurde mit Unterstützung von Kirche in Not wiederaufgebaut, so dass der Heilige Vater gebührend empfangen wurden konnte. Schwester Maria Maddalena, Priorin des Karmels vom heiligen Josef in Antananarivo, hatte der Stiftung ihre Freude mitgeteilt: „Ich möchte dies mit Ihnen teilen, um Ihnen noch einmal für alles zu danken, was Sie und Ihre Wohltäter für unsere Gemeinschaft getan haben, und damit auch Sie sich mit uns darüber freuen können, dass wir den Heiligen Vater empfangen können.“ Die Ordensschwester hatte hinzugefügt: „Die Ankunft von Papst Franziskus ist bereits jetzt eine große Gnade, denn jeden Tag kommen mehr Menschen zu uns. Ich glaube, dieser Besuch wird sehr fruchtbar werden.“

Allein im Jahr 2018 unterstützte die päpstliche Stiftung Kirche in Not die Kirche in Madagaskar mit über 1,1 Millionen Euro.

Von Thomas Oswald

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