Irak: „Es sollte eine internationale Friedenstruppe in der Ninive-Ebene stationiert werden“

Erzbischof Timotheus Musa
Al Shamani

06/08/2018 Leuven – Vier Jahre nach dem Vorrücken des „Islamischen Staats“ (IS) in die christlichen Orte der Ninive-Ebene im Nordirak beklagt der syrisch-orthodoxe Erzbischof Timotheus Musa Al Shamani einen Mangel an Sicherheit. „Ohne Sicherheit und Jobs wird kein Christ im Irak bleiben“, so der Bischof der Diözese des heiligen Matti kürzlich gegenüber dem katholischen Hilfswerk „Kirche in Not“. Al Shamani appellierte an die internationale Gemeinschaft, ihrer Verantwortung nachzukommen. „Es sollte eine internationale Friedenstruppe in der Ninive-Ebene stationiert werden. Wir wollen eine Garantie, dass unsere Freiheit und unsere Sicherheit gewährleistet werden.“

Besondere Verantwortung für die Sicherheit der Christen komme dabei den USA zu, so der Erzbischof. „Alle Politiker gehorchen Amerika“, erklärte er. Kritisch äußerte sich Al Shamani gegenüber Ankündigungen der gegenwärtigen US-Regierung, Hilfsgelder künftig direkt den vom IS verfolgten Christen zuzuleiten und nicht über die Organisationen der Vereinten Nationen. „Wir hören viele Reden von Präsident Trump. Wir wollen aber Taten sehen“, so der Erzbischof.

Der Erzbischof befürchtet derweil eine Rückkehr radikalislamischer Gruppen. „Wir vermuten, dass sich in Zukunft eine dem IS ähnliche Gruppe erneut herausbildet, wie auch immer sie sich nennen mag.“

Am 6. August 2014 hatten die Dschihadisten des IS das christliche Herzland nahe der nordirakischen Metropole Mossul erobert. Etwa 120 000 Christen mussten fliehen. Viele von ihnen verbrachten Jahre als Binnenflüchtlinge im Irak oder flohen ins Ausland. Seit 2016 ist es irakischen Regierungstruppen und ihren Verbündeten schrittweise gelungen, die vom IS besetzten Gebiete zurückzuerobern. Mittlerweile sind zehntausende Christen in ihre schwer beschädigten Heimatorte zurückgekehrt. „Kirche in Not“ unterstützt den Wiederaufbau maßgeblich. Erzbischof Al Shamani dankte dem Hilfswerk ausdrücklich für die Unterstützung während der Jahre der Vertreibung. „Ohne die Hilfe kirchlicher Organisationen wie Kirche in Not hätten wir Christen hier nicht überleben können.“

Auch der chaldäisch-katholische Erzbischof von Erbil Bashar Warda hob die Unterstützung von „Kirche in Not“ hervor. Seine Diözese hatte einen Großteil der christlichen Binnenflüchtlinge aufgenommen. Mit Blick auf die Wiederaufbauarbeiten in der Ninive-Ebene betonte der Erzbischof die Bedeutung schneller Fortschritte. „Dieser Sommer ist sehr kritisch für uns. Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, um diese Orte wiederaufzubauen. Die irakische Regierung hat uns schon mitgeteilt, dass sie kein Geld habe und nicht helfen werde.“

Optimistisch zeigte sich der Erzbischof bezüglich der finanziellen Zusagen der US-Regierung. Zwar seien bislang noch keine Gelder geflossen, so Warda. „Ich bin aber fest überzeugt, dass die Vereinigten Staaten helfen wollen. Es ist das erste Mal, dass eine amerikanische Regierung anerkennt, dass die Menschen hier wegen ihres Glaubens verfolgt wurden“, so der Erzbischof.

Erzbischof Warda betonte dabei die Rolle der Christen für die Gesellschaften des Nahen Ostens. „Der ganze Nahe Osten wird durch Gewalt, Korruption und politische Verwerfungen erschüttert. Er ist verdorben von der Sünde. Es ist Jesus, der diese Sünden vergibt und die Wunden heilt. Wer kann dieser unruhigen und korrupten Region Jesus geben außer die Christen? Wir sind deshalb nicht nur Christen, sondern Jünger von Vergebung und Liebe.“

„Kirche in Not“ hat für die Wiederaufbauarbeit der vom IS besetzten christlichen Dörfer mehr als 6,9 Millionen Euro bereitgestellt. Bislang konnten (Stand Juli2018) 45 Prozent der vertriebenen Familien zurückkehren und 35 Prozent der beschädigten oder zerstörten Häuser wieder bewohnbar gemacht werden. Auch vom IS beschädigte Kirchen wurden restauriert. Damit setzt das Hilfswerk seine Hilfsanstrengungen für die verfolgten Christen des Irak fort, die mit Beginn der christlichen Flüchtlingskrise im Irak 2014 begonnen hatte. Für die christlichen Binnenflüchtlinge stellte Kirche in Not im Rahmen einer der größten einzelnen Hilfsaktionen seiner Geschichte auch Gelder für Wohnungen und Schulen sowie für Ernährung und medizinische Versorgung bereit. Insgesamt hat Kirche in Not seit 2011 die Christen im Irak mit 35,7 Millionen Euro unterstützt.

Von Oliver Maksan

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