Zentralafrikanische Republik: « Die Kirche steht für die Wiederversöhnung in vorderster Reihe »

27/08/2018 Leuven – Erzbischof Nestor-Désiré Nongo-Aziagbia, SMA (Gesellschaft der Afrikamissionen), 58 Jahre, Bischof von Bossangoa, im Nordwesten der Zentralafrikanischen Republik, hat den internationalen Sitz von Kirche in Not besucht. Pierre Macqueron hat sich aus diesem Anlass mit dem Bischof unterhalten.

Wie ist zurzeit die Lage in Zentralafrika?

Die Lage im Land ist unübersichtlich: Die Afrikanische Union und Russland ergreifen verschiedene Initiativen. Die Hauptverantwortlichen der Séléka-Rebellengruppen trafen sich in  N’Djaména, der Hauptstadt des Tchad, ohne dass die Autoritäten des Landes offiziell reagiert hätten.

Die Bürger leiden unter dem Fehlen von Sicherheit. Heutzutage befinden sich 70 bis  80% des Landes in den Händen bewaffneter Rebellen. Die Mehrheit entkommt der Kontrolle des Staates. Es gibt etwa fünfzehn bewaffnete Gruppen: Die Séléka, die RJ (Revolution und Gerechtigkeit), die Anti-Balaka … Sie wollen Rohstoffe an sich reißen, wie Gold, Diamanten ;  die Herden erwecken auch ihre Begierde. Sie haben nicht die Absicht, die Macht zu ergreifen: Sie nutzen die Krise aus, um sich zu bereichern. Dies ist ein gewinnbringender Handel.

Und in Ihrer Diözese?

Meine Diözese liegt im Nordwesten des Landes, an der Grenze des Tschad. Sie umfasst 62000 km² und wir sind 31 Priester für 700 000 Einwohner. Im Dezember 2017 gab es Zusammenstöße zwischen zwei Rebellengruppen, den Séléka und den RJ. Viele Leute haben alles verloren und in  Markounda Zuflucht gefunden. Dort lebt ein Priester, der versucht, zwischen den Vertriebenen, den Einheimischen und Rebellen ein Vertrauensverhältnis herzustellen. Dies ist riskant, da alles Mögliche passieren kann, aber es ist notwendig, um Frieden und Harmonie herzustellen. Es gibt dort keine Regierungsarmee; ebensowenig Streitkräfte der Vereinten Nationen.

In meiner Diözese habe ich als Priorität gesetzt,  die Kirche wiederaufzubauen und aus den Gläubigen authentische Zeugen Christi bei ihren Schwestern und Brüdern zu machen. Es gibt  14 Pfarrgemeinden und ein Kloster: Alle diese Gebäude wurden zerstört. Fünf Kirchen sind bereits wiederhergestellt worden.

Handelt es sich nicht um einen Konflikt zwischen Christen und Muslimen?

Die Bischofskonferenz hat sich seit dem Beginn der Krise gegen diese Interpretation gewehrt. Die Verantwortlichen anderen Religionsgemeinschaften ebenso. Und zwar aus diesem Grund: Die Rebellengruppen Séléka, hauptsächlich Muslime, kämpfen untereinander um die Kontrolle über die Rohstoffe und die Herden. Sie zögern nicht, von Glaubensbrüdern Gelder zu erpressen. Die Religion ist also nur ein Vorwand. Es handelt sich vor allem um einen politischen, ökonomischen und geostrategischen Konflikt.

Was bedeutet der Angriff auf die Kirche Notre-Dame de Fatima in Bangui, am 1. Mai diesen Jahres, der zu mindestens 16 Toten und 99 Verletzten führte?

Ich betrachte diesen Angriff als einen Versuch, die Bürger der Zentralafrikanischen Republik in einen interreligiösen Krieg zu treiben. Nach diesem Angriff in Bangui wollten wütende Christen Rache nehmen. Kardinal Nzapalainga, der zur  Zeit dieser Geschehnisse nicht anwesend war, kehrte in aller Eile zurück und gab, sobald er wieder in Bangui war, eine Erklärung ab: Darin rief er die Christen zur Vergebung und Wiederversöhnung auf.

Jugendliche, die sich als katholisch bezeichnen, schließen sich der Gruppe der Anti-Balaka an, obgleich Kardinal Nzapalainga sie für « Mörder ohne Glauben und Gesetz» hält. In welchem Maß stellt ihr Mangel an Bildung eine Gefahr dar?

Der Mangel an Bildung und die Tatsache, dass viele Christen in einer echten spirituellen Verwirrung leben, stellt eine Gefahr dar. Diese Jugendlichen sind oft abergläubig.

Nach etwa zehn Jahren ist das Bildungssystem schwach. Professionnelle Lehrer sind selten. In ländlichen Gebieten fehlen sie ganz; manchmal versuchen Eltern, die keine richtige Ausbildung haben,sie zu ersetzen. Das Bildungsniveau sinkt und dies wirkt sich direkt auf das Unterscheidungsvermögen der Leute aus.

Die spirituelle Bildung ist auch sehr wichtig: In unserem Land arbeiten wir viel mit verantwortlichen Laien, den Katechisten. Diese sind aber manchmal schwer zu finden, da in einigen Dörfern niemand lesen und schreiben kann. Wie soll man unter solchen Bedingungen biblische Texte verstehen und vermitteln ?

Wie versucht die Kirche, sich am Prozess der Wiederversöhnung zu beteiligen? 

Die Kirche steht an vorderster Front, um für die Wiederversöhnung zu arbeiten. Die meisten Bischöfe, Priester und Ordensleute nehmen an diesem Prozess aktiv teil. Wir nehmen Vertriebene und Bedürftige auf, ohne nach ihrer Religion zu fragen. Wir organisieren Sitzungen der Vergebung und Wiederversöhnung, damit man in Frieden und gegenseitigem Respekt leben kann.

Seit Beginn der Krise haben wir eine interreligiöse Plattform organisiert, auf der Katholiken, Protestanten und Muslime zusammenarbeiten, um eine gemeinsame Antwort zu geben [Anmerkung der Redaktion : Protestanten stellen 45,6% der Bevölkerung dar, Katholiken 20,4% und Muslime 14,7%].

In einem instabilen Land Frieden aufzubauen, ist unweigerlich mit Risiken verbunden…

Dieses Risiko ist Teil unserer Mission. Einmal wurde ich zusammen mit Priestern entführt. Der Bischof von Bangassou wurde bedroht. Einige Priester entkamen in Bangassou dem Tod; andere sind in Bambari umgekommen. Dies ist, als Zeugen Christi, Teil unserer Mission.

Welche Botschaft möchten Sie an die Wohltäter von Kirche in Not richten ?

Im Namen der Diözese von Bossangoa und der Kirche in Zentralafrika, nutze ich diese Gelegenheit, um Kirche in Not für die vielfache Unterstützung, die uns in diesen schwierigen Krisenzeiten gewährt wurde, meine Dankbarkeit auszudrücken, wie z. B. durch die Weiterbildung  von Priestern und Katecheten, die Unterstützung von Seminaristen (31 Seminaristen im großen Priesterseminar des Landes, St. Markus in Bangui und 80 im Kleinen Seminar in Bossangoa), den Wiederaufbau unserer Kirchen, Pfarrhäuser und Klöster, um aus unserer Kirche eine lebendige Gemeinschaft zu machen.  Ich kann nur meine Dankbarkeit ausdrücken und mit Ihnen weiterhin in geistlicher und herzlicher Gemeinschaft verbunden bleiben.

Von Pierre Macqueron

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