Es ist überhaupt nicht leicht, heute in Indien Christ zu sein

05/03/2018 Löwen – Interview mit Veronique Vogel, Fachreferentin von Kirche in Not, zur Lage der Christen in Indien. 

Wie ist die Lage der Christen in Indien heute?

Besorgniserregend. Antichristliche Attacken haben 2017 sich mit über 740 Vorfällen im Vergleich zum Vorjahr nahezu verdoppelt, die meisten werden in Nordindien beobachtet. Dazu muss man wissen: Die nationalistische Partei, die derzeit auf Bundesebene in Indien regiert, ist zugleich in 19 von insgesamt 29 indischen Bundesstaaten an der Macht. Die Zahl der Übergriffe ist nicht nur gewachsen, die Art der Übergriffe fällt auf: Sie sind noch mehr von Hass erfüllt. Die Konsequenzen für die Katholiken sind härter. Früher waren es eher verbale Attacken zum Beispiel gegen Direktoren in den katholischen Schulen. Jetzt – zum Beispiel in Madhya Pradesh – dringen extremistische Gruppen in die Schulen ein, sie stören den Unterricht, sie versuchen, den Schulen einen starken Nationalismus aufzuzwingen – das ist neu. Priester wurden angegriffen und polizeilich festgehalten, als sie lediglich auf dem Weg waren zu einer Dorfgemeinde, um dort Adventslieder zu singen. Es gibt auch – ähnlich wie in Pakistan, – die Tendenz, Christen wegen der Gotteslästerung anzuklagen. Man stellt die Christen als eine Gefahr für die nationale Einheit dar. Dieser Trend ist seit den letzten Wahlen 2014 aufgekommen.

Was berichten die Medien darüber?

Wir lesen – vor allem in den katholischen Medien, aber auch in anderen glaubwürdigen Medien – dass die Zahl der Angriffe gestiegen und ihr Ausmaß härter ist.

Wer äußert sich kritisch dazu?

Die indische Bischofskonferenz hat in ihrer gerade abgeschlossenen Sitzung Ende Februar bekräftigt, dass Christen als hundertprozentige Inder zu behandeln und zugleich als hundertprozentige Katholiken anzusehen sind. Das falsche Argument, antinational eingestellt zu sein, habe keinen Platz im Denken der Christen.

Welche Botschaft gibt Kirche in Not den Christen in Indien?

In dieser Atmosphäre der Verfolgung, in der Christen täglichem Druck durch Schikanen ausgesetzt sind und ihnen auch Angst um das eigene Leben eingeflößt wird, steht Kirche in Not zunächst den Bischöfen bei, um ihnen bei ihrer pastoralen Arbeit zu helfen, damit sie ihren Glaubensgeschwistern beistehen und sie ermutigen, im christlichen Glauben zu wachsen. Konkret unterstützt Kirche in Not die Indische Kirche in der Arbeit etwa mit Jugendlichen, mit Frauen, Familien. Wir stehen im engen Kontakt mit ihnen, sind solidarisch mit ihnen auch im Gebet, im Verständnis für ihre Lage, wir informieren darüber.

Denn es ist überhaupt nicht leicht, heute in Indien Christ zu sein. Die Bischöfe pflegen die inter-konfessionelle Verbindungen. Wir unterstützen Katholiken in Indien, damit sie ein Beispiel bleiben können für christliches Zusammenleben in Liebe und Mitgefühl für jeden.

Von den insgesamt 5.384 genehmigten Projekten von Kirche in Not in 2017 hat das Land Indien mit 584 Projekten den größten Anteil. Abgesehen davon, dass Indien mit rund 1,3 Milliarden Bewohnern das zweite bevölkerungsreichste Land nach China ist – gibt es einen weiteren Grund dafür?

Papst Franziskus hat zu Recht gesagt: Die Kirche der Zukunft wird die Kirche Asiens sein. Indien hat eine wichtige christliche Glaubensgemeinschaft. Darüber hinaus ist bekannt, dass Inder in der Regel eine tiefe und starke Spiritualität besitzen, ganz gleich, welcher Religion sie angehören. 84 Prozent sind Hindus. Abgesehen von Extremisten, die Menschen unterschiedlicher Religionszugehörigkeit gegeneinander aufwiegeln wollen, sind die Hindus sehr gastfreundlich, sehr pazifistisch, die kulturelle und religiöse Vielfalt als ein Geschenk von Gott begreifen und jeder Religion einen Platz geben. Diese besondere Art, jeden Tag und jeden Moment darin in Gemeinschaft mit Gott zu begrüßen, ist ein Weg, immer mit dem Göttlichen verbunden zu bleiben. Zu beten. Wissend, dass man selbst vor Gott Großartigkeit gering ist. Diese Demut und zugleich Freude entdecke und spüre ich immer wieder bei den Hindus.

Doch es ist eine individuelle Religion. Deshalb interessieren sich Hindus dafür, wie Christen organisiert sind, mit ihren Priestern, Ordensleuten, Gemeinschaften, die sich alle zusammenfinden, um gemeinsam zu beten. Diese Dimension der Gemeinschaft empfinden sie wie eine neue Resonanz im Bezug auf ihre Hindu-Spiritualität. Deshalb betrachten Hindus das Christentum im Grunde mit Wohlwollen und sind bereit, ihnen einen Platz in ihrer Gesellschaft einzuräumen.

Die päpstliche Stiftung Kirche in Not organisiert Entgegnungstage vom 22. bis zum 27. Mai 2018 über Indien. In diesem Rahmen kommt Veronique Vogel, verantwortliche für die Projekte von Kirche in Not in Asien, am Donnerstag 24/05/2018 in Lüttich sprechen über ihre Arbeit im Dienste der Kirche in Indien. Wir laden Sie herzlich ein zuhören zu kommen und die Realität der Situation der Christen in Indien dank Augenzeugen, die auch da werden sein, zu entdecken.

Von Karla Sponar

 

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