Bischof von Odessa: „In diesem Krieg sind beide Völker Opfer“

Die Desinformation der russischen Bevölkerung ist für den römisch-katholischen Bischof von Odessa, Stanislaw Schyrokoradjuk, eine der Ursachen für die Invasion in der Ukraine: „Wir Ukrainer sind die Opfer des Krieges, das russische Volk ist ein Opfer der Propaganda.“ Der Bischof war am vergangenen Dienstag bei einer Konferenz am internationalen Sitz des katholischen Hilfswerk Kirche in Not zugeschaltet.

29.03.2022, Online-Treffen mit Bischof Stanislav Szyrokoradiuk, O.F.M., Bischof der Diözese Odessa-Simferopol (Ukraine), anlässlich der jährlichen Direktorentagung 2022 in der ACN-Zentrale in Königstein (Deutschland).

Laut Bischof Schyrokoradiuk sei der Krieg „kein Konflikt zwischen unseren beiden Völkern“. Die Bewohner Russlands hätten jedoch keinen Zugang zu vollständigen Informationen; viele von ihnen würden deshalb die russische Regierung unterstützen“. Das heize die Aggression weiter an. „Ich hoffe, dass ihnen die Augen geöffnet werden, damit der Frieden kommen kann“, erklärte Schyrokoradiuk.

Mit Blick auf die weitere Perspektive für die Ukraine betonte der Bischof, dass es für sein Land keine Alternative zu Unabhängigkeit, Freiheit und der Orientierung nach Europa gebe. „Das ist unser Weg, den wir gewählt haben. Diesen Weg wollen wir weitergehen, auch wenn er für uns alle ein Kreuzweg ist.“

Seine Bischofsstadt Odessa befinde sich aktuell im „Epizentrum des Krieges“, erklärte der Bischof. Jeden Tag gäbe es Luftalarme und Angriffe: „So viele Ruinen, so viel Tränen, so viel Blut in unserem Land“ In der Ukraine seien im ersten Monat des Krieges hunderte Kinder getötet und schwer verletzt worden. „Die Kinder haben beim Beschuss Hände oder Füße verloren; es ist furchtbar!“ Der Hafen in Odessa sei aktuell blockiert; die ukrainische Armee habe jedoch den Vorstoß der russischen Marine zurückstoßen können.

Sehr angespannt sei die Lage in den beiden anderen nordöstlich gelegenen Hafenstädten Cherson und Mykolajiw. Cherson sei mittlerweile komplett besetzt; in Mykolajiw habe sich die russische Armee zwar weiter zurückgezogen, aber es gäbe tägliche Luftangriffe.

In der Nacht von 28. auf 29. März sei bei einem Angriff auch ein Gebäude der katholischen Pfarrgemeinde zerstört worden, berichtete der Bischof: „Dennoch wollen viele Leute in Mykolajiw bleiben, das ist meine große Sorge.“ Auch alle Priester seien in den umkämpften Regionen geblieben. „Die Pfarrer fahren von Dorf zu Dorf und bringen den Menschen Hilfsgüter. Sie machen eine sehr engagierte Arbeit, obwohl es sehr gefährlich ist.“

Humanitäre Versorgung weitgehend gesichert

Da der Seeweg abgeschnitten ist, hat die Diözese Odessa-Simferopol eigene Transporter organisiert, die Lebensmittel und Medikamente aus dem westukrainischen Lwiw (Lemberg) abholen – oft unter Lebensgefahr. Lwiw ist der zentrale Verteilpunkt von Waren, die aus Polen und dem westlichen Ausland eintreffen.

Verteilung von humanitärer Hilfe in der Diözese Odessa

Die humanitäre Versorgung in der Region Odessa sei aktuell weitgehend sichergestellt, erklärte der Bischof: „Wir helfen ohne Ansehen der Religion oder Nationalität – in Odessa leben Menschen aus 120 Nationen.“ Die Zusammenarbeit mit den anderen christlichen Konfessionen bei der Hilfe für die notleidende Bevölkerung laufe sehr gut, auch mit der ukrainisch orthodoxen Kirche und mit den Protestanten.

Auch Kirche in Not sei eine wichtige Stütze.

Das Hilfswerk habe nicht nur als erstes seine Unterstützung angeboten, sondern gerade auch die Finanzierung von weiteren Fahrzeugen zugesagt, damit die Versorgung der Menschen in entlegenen Dörfern gewährleistet ist. „Wir sind von der Solidarität sehr bewegt“, betonte Bischof Schyrokoradjuk.

Insgesamt hielten die Menschen im Kriegsgebiet fest zusammen; es herrsche sogar Optimismus, stellt der Bischof fest: „Die Menschen habe den Humor nicht verloren und versuchen, auch die positive Seite des Lebens zu sehen. So ist Odessa!“

Nach Beginn des Ukraine-Krieges hat Kirche in Not ein Nothilfe-Paket in Höhe von 1,3Millionen Euro auf den Weg gebracht. Aktuell sind weitere Projekthilfen auf dem Weg. Die Unterstützung kommt Priestern und Ordensleuten zugute, die im ganzen Land in den Pfarreien, bei den Flüchtlingen, in Waisenhäusern und Altenheimen arbeiten.

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