Burkina Faso: Eine fragile Oase des Friedens zwischen Mali und Niger

Bischof Raphael Dabire

30/10/2018 Leuven – Ein Gespräch mit Raphaël Dabiré, dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz für den Klerus und Erzbischof von Diébougou, im Südwesten von Burkina Faso. Sein Land, an den Grenzen von Niger und Mali gelegen, unterliegt − wie seine Nachbarländer − starkem Druck, den Dschihadistengruppen auf die Bevölkerung der  Sahel-Zone ausüben. Dennoch wird es unter Religionsgemeinschaften als Oase der Toleranz angesehen. Christen repräsentieren 23,9 % der Bevölkerung, Muslime 54,2 % und Animisten 21,3 %.

Wie sind in Burkina Faso die Beziehungen zwischen den Religionsgemeinschaften?

Unser Land hat eine Tradition der Toleranz, die wir pflegen, so gut wir können. Ich werde regelmäßig zu religiösen Feierlichkeiten anderer Religionsgemeinschaften eingeladen. Während des letzten Ramadanbegab ich mich, auf ihre Einladung hin, zu einem muslimischen Gebetsort. Bei der Hammelopferung bin ich nicht anwesend, freue mich aber mit ihnen und wünsche ein schönes Fest. Ebenso werden Imame und Vorsteher − bei großen Anlässen − zur heiligen Messe eingeladen und nehmen an einem Teil der Feier teil, wobei sie gewöhnlich bei Predigtbeginn aufbrechen. So wird auf symbolische Art Präsenz gezeigt, die von kleinen Aufmerksamkeiten begleitet ist und zur Brüderlichkeit unter uns beiträgt. Anlässlich des Todes eines Priesters, um ein anderes Beispiel zu nennen, versäumen die Imame niemals, mir ihr Beileid auszudrücken.

Wie erklären Sie dieses gute Einvernehmen zwischen den Religionsgemeinschaften, wo die Sahel-Zone doch von ethnischen und religiösen Konflikten erschüttert wird?

In unserem Land gibt es eine solide Tradition der Toleranz und Verständigung zwischen den Religionsgemeinschaften. In praktisch allen Familien gibt es Muslime, Christen und Animisten, und alle gestehen dies zu.

Diese Nähe ermöglicht uns, auf die Religion von anderen ohne Tabu einzugehen und dabei sogar Ironie zu wagen. Ich glaube, dass diese gute Verständigung in meinem Land sich besonders durch einen gewissen Hang zu Scherzen erklärt. Dieser besteht darin, dass man sich erlaubt, sich über die Religion anderer ein wenig lustig zu machen, wobei akzeptiert wird, dass er dies auch mit meiner tun darf.

Bedeutet dies, dass es in Burkina Faso in interreligiösen Beziehungen keine Probleme gibt?

Leider nein. Die Hauptstadt unseres Landes wurde im letzten März von Terroristen attackiert, was zu ungefähr dreißig Toten führte. Ordnungskräfte werden regelmäßig von Dschihadistengruppen angegriffen, die Minen einsetzen und Hinterhalte legen. Die Niederträchtigkeit und Gewalt solcher Übergriffe belasten uns natürlich sehr.

Aber es scheint, dass diese Angriffe von außerhalb des Landes, von Gruppen aus dem Niger oder aus Mali, organisiert werden. Stellt der Dschihadismus für die Burkiner nicht eine Versuchung dar?

Wir wissen nicht alles. Sicher gibt es Einzelne, die an solchen Aktionen teilnehmen, aber insgesamt widersteht unsere Gesellschaft denen, die sie spalten wollen.

Vor drei Wochen hat eine Gruppe von Leuten die Marienstatue einer Kirche und vier weitere Statuen zertrümmert. Sie hinterließen eine seltsame Nachricht, die zu verstehen gab, Christen dürften Statuen nicht anbeten. Während eines Sühnegottesdienstes habe ich meine Gemeindemitglieder gebeten, keine übereilten Schlüsse zu ziehen. Es ist die Justiz, die hier ihre Arbeit tun muss. Diese Profanierung war, glücklicherweise, eine Einzeltat, und ich hoffe, dies bleibt so.

Burkina Faso wird als eines der ärmsten Länder der Welt angesehen. Sehen Sie, dass sich diese Situation ändert?

Ich habe den Eindruck, dass die wirtschaftliche Lage stagniert und befürchte, dass die Terroristenangriffe − einmal mehr − hierzu viel beitragen. Sie entmutigen Investoren, die sich für unser Land interessieren. Besonders die Jugendarbeitslosigkeit ist ein Thema, das große Sorgen bereitet.

Die schlechte Konjunktur bedroht die Stabilität des ganzen Landes. Die Opposition zum aktuellen Präsidenten Kaboré, der katholisch ist und 2015 gewählt wurde, nutzt diese Instabilität aus, um seine Regierung infrage zu stellen. Man muss jedoch klarstellen, dass hinter dieser Agitation kein religiöser Konlikt steht; in der Opposition gibt es übrigens auch Christen.

Wie entwickelt sich Ihre Kirche?

Unsere Religionsgemeinschaft zeigt sich eifrig, füllt die Kirchen von Samstag bis Sonntagabend, und die Liturgie wird sehr lebendig gefeiert. An Priesterberufungen fehlt es nicht, ebenso wenig an Taufgesuchen. Aber wir müssen wachsam bleiben und diesen Eifer begleiten. Wir brauchen mehr Katecheten und mehr Mittel zur Begleitung von Seminaristen.

Dies ist eine unentbehrliche Arbeit, ohne die der Glaube anfällig bleibt. Man sieht zum Beispiel in Dörfern Christen, die zum Heidentum zurückkehren, wenn sie mit Schwierigkeiten konfrontiert werden. Dies ist eine Herausforderung, auf die man mit  Ausbildung antworten muss.

Was möchten Sie den Spendern von Kirche in Not sagen?

Ein ganz großes Danke. Dank der Unterstützung durch Ihre Organisation können wir nämlich genau diesen großen Bedarf an Bildung für junge Christen in Angriff nehmen. Dies hilft uns, unverzichtbare Infrastrukturen zu schaffen, wie Priesterseminare, Pfarrbüros oder Räume für die Katechese. Überdies haben Sie uns Fortbewegungsmittel wie Fahr- und Motorräder und gemeinschaftlich genutzte Autos ermöglicht, die für viele, weit ausgedehnte Pfarrgemeinden unentbehrlich sind und wo es entscheidend ist, dass wir die Mobilität von Priestern und Katecheten sicherstellen können!

Dank der Großzügigkeit ihrer Wohltäter im Jahr 2017 unterstützte die päpstliche Stiftung Kirche in Not mehr als 60 Projekte in Burkina Faso mit insgesamt fast 750.000 Euro.

Von Thomas Oswald

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