Koptischer Abgeordneter in Ägypten setzt sich für die Rechte von Christen ein

Dr Imad Gad

05/07/2018 Leuven – DR. Emad Gad ist Mitglied des ägyptischen Repräsentantenhauses und Professor für Politikwissenschaften an der Universität Kairo. Er gehört der koptisch-orthodoxen Kirche an und vertrat die „Partei der Freien Ägypter (Free Egyptians Party) während mehrerer Legislaturperioden im Parlament. Dafür, dass er die Rechte der Christen verteidigt, wurde er regelmäßig schikaniert und ausgegrenzt. In seinen Äußerungen und Schriften hat er häufig die Behörden dafür kritisiert, dass sie die koptischen Christen Ägyptens nicht vor gewalttätigen, oft tödlichen Angriffen schützen und sich nicht genug dafür einsetzen,, die Rechte und Freiheiten der Christen als Bürger zu garantieren.

Dr. Gad sprach mit Kirche in Not über seinen Kampf gegen die Diskriminierung von Christen und sein Engagement für die Schaffung eines säkularen Staates, in dem alle Bürger ungeachtet ihres Glaubens gleich behandelt werden.

„2012 war ich Mitglied des Ausschusses für auswärtige Beziehungen im Parlament, das zu dieser Zeit von der Muslimbruderschaft kontrolliert wurde. Vorsitzender des Ausschusses war Essam Al-Erian, ein führender Kopf der Muslimbruderschaft. Ich wurde während dieser Zeit ausgegrenzt und zu Gesprächen über wichtige Themen nicht eingeladen.“

„Einmal kontaktierte mich Al-Erian, dass ich eine Besucherdelegation des italienischen Parlaments treffen solle. Zu Beginn der Begegnung erklärte Al-Erian der Delegation: ‚Wir praktizieren Toleranz und Liebe,  Muslime und Christen arbeiten zusammen. Ein Beweis ist unser Kollege Emad Gad, ein ägyptischer koptischer Christ.‘ Dann erteilte er mir das Wort und erwartete einige höfliche Worte von mir. Aber ich sagte mit Nachdruck: ‚Ich danke Ihnen sehr, Dr. Essam, aber Sie haben mich vor eine schwierige Aufgabe gestellt. Ich habe die Wahl, entweder an meinen Prinzipien und Überzeugungen festzuhalten, oder aber Ihnen zu schmeicheln und das zu sagen, was Sie von mir erwarten. Ich kann jedoch nicht anders, als meinen Prinzipien und meiner Überzeugung zu folgen und zu sagen, dass die Muslimbruderschaft eine extremistische rassistische Gruppierung ist, die Kopten unterdrückt und die Kirchen angreift.‘ Dies war das letzte Mal, dass ich an den Ausschusssitzungen teilnahm.“

„Die derzeitige Situation ist für mich als christlicher Politiker besonders angespannt. Präsident Abdel Fattah Al-Sisi versucht, die Idee der gleichberechtigten Bürger umzusetzen, und ergreift Maßnahmen, die kein ägyptischer Präsident vor ihm unternommen hat. Er tut dies, weil er in den sieben Jahren seit dem Aufstand 2011 gesehen hat, wie sehr die Kopten ihr Land lieben und unterstützen und wiederholt jede Einmischung von außen in die ägyptische Politik abgelehnt haben. Seine Bemühungen kollidieren jedoch mit den reaktionären Kräften und Teilen des Staatsapparates, die auf die alte Art und Weise funktionieren. Dazu gehört auch der Sicherheitsapparat, der sich mit Gewalt gegen Kopten dergestalt auseinandersetzt, dass er üblicherweise Versöhnungssitzungen abhält, die zu Straffreiheit für die Täter führen.“

„Zum Beispiel während der Krise 2016 im Dorf Karm el Lofy in der Provinz Al-Minya in Mittelägypten, als eine muslimische Menschenmenge eine ältere Frau, Souad Thabet, angriff und nackt auszog,  kam es zu großen Spannungen zwischen Dr. Ali Abdel Aal, dem Sprecher des Repräsentantenhauses und anderen Parlamentsmitgliedern und mir. Auf meiner Facebook-Seite schrieb ich: ,Es gibt einen schrecklichen Plan der Hölle, die Kopten zu demütigen, an dem der Sicherheitsapparat des Staates sich beteiligt.“

„Ich wollte die Aufmerksamkeit auf das Unrecht lenken, das Frau Thabet erlitten hatte, und auf das Drängen einiger Sicherheitsbeamter, das Problem auf die übliche Weise zu lösen, bei der das Opfer sein Recht auf eine faire Anhörung und auf Gerechtigkeit verliert.“

„Es war eine schwierige Zeit wegen der Missachtung der Parlamentsmitglieder aus Al-Minya. Einige Abgeordnete aus Al-Minya waren Polizeibeamte. Es hieß, dass einige der Personen, die Souad Thabet angegriffen hatten, mit einem dieser Abgeordneten verwandt waren. Also wollten diese Abgeordneten nicht, dass überhaupt über dieses Thema gesprochen wurde.  Ich muss gestehen, dass uns einige koptische Abgeordnete mehr als alle anderen ein Stachel im Fleisch waren. Leider gibt es viele koptische Politiker, die glauben, ihre Anwesenheit im Parlament und ihr Aufstieg an die Macht hingen davon ab,  dass sie dem Staat oder dem lokalen Sicherheitsapparat gefällig sind.

„Ich schrieb auch Dutzende Artikel für die ägyptische Tageszeitung „Al Watan“, in denen ich mich kritisch darüber äußerte, wie der Sicherheitsapparat mit Vorfällen umgeht, bei  denen Gewalt gegen Kopten ausgeübt wird. Einige dieser Artikel trugen die Überschrift ‚Wenig Sicherheit, viel Politik‘. Mein Standpunkt ist, dass das Thema Sicherheit wichtig ist, aber dass die Politik Vorrang vor Sicherheitsbelangen haben sollte und nicht umgekehrt. Bei Zusammenstößen der Religionsgemeinschaften brachte die sicherheitsorientierte Politik katastrophale Ergebnisse. Kirchen wurden wegen Sicherheitsbedenken geschlossen. Dahinter steht eine Sichtweise, die davon ausgeht, dass die Öffnung einer neuen Kirche unausweichlich zu einem Konflikt zwischen den Religionsgemeinschaften führen wird.

„Aufgrund meiner Meinung wurde ich auf unterschiedliche Art und Weise schikaniert und ausgegrenzt. Beispielsweise werden meine Artikel in der Zeitung Al Watan nicht mehr veröffentlicht. Im vergangenen Dezember drohte mir ein ehemaliger Polizist im staatlichen Fernsehen. Er sagte: ‚Das Messer des inneren Apparates ist sehr scharf, und Sie sollten besser weit weg sein.‘  Ich fragte mich, als ich auf Facebook schrieb, ob das eine Morddrohung war. Es ging nicht weiter und nach der Intervention von Politikern und anderen Regierungsstellen wurde diese Kampagne gestoppt.“

„Eine andere Form von Schikane war es, dass mir nicht gestattet wurde, in Parlamentsdebatten zu sprechen und dass ich ausgeschlossen wurde, wenn Delegationen ägyptischer Abgeordneter zu offiziellen Besuchen ins Ausland reisten. Stattdessen ließ man zu, dass Abgeordnete ohne politische Erfahrung und ohne Kenntnisse in Politikwissenschaft und Auslandsbeziehungen, also meine Fachgebiete, die Leitung des Ausschusses für auswärtige Beziehungen übernahmen.“

„Ich war Mitglied der Partei der Freien Ägypter und gewann als Mitglied des Politischen Vorstands der Partei einen Sitz im Parlament. Als jedoch die Sicherheitskräfte Druck auf die Partei ausübten, damit diese mich ausgrenzt, ernannte die Partei Alaa Abed zum Vorsitzenden der Fraktion im Parlament. Dieser Mann ist ein ehemaliger Polizist, den man der Folter bezichtigte und der aus dem Dienst entlassen wurde. Dieser Schritt sollte Druck auf mich ausüben, meine politische Haltung zu ändern.

„Trotz der Schwere der Geschehnisse ist dies noch immer meine Heimat, und wir können Veränderungen nur durch Widerstand und die Ablehnung falscher Politik erreichen. Tatsächlich gibt es viele muslimische Abgeordnete, die sich sehr mutig für die christliche Sache eingesetzt haben.“

„Auch hier ist das Problem in einigen Bereichen enorm. In der Provinz Al-Minya beispielsweise halten viele Menschen Kopten für Ungläubige und Ketzer und beschuldigen sie sogar der Hexerei. Ich erinnere mich an einen Vorfall vor vielen Jahren, als eine muslimische Menschenmenge eine Kirche angriff und Schriften in koptischer Sprache fand. Obwohl sie diese Sprache nicht kannten, behaupteten sie, dass die Kirche einen bösen Zauber ausübe, der verhinderte, dass muslimische Mädchen heirateten!“

„Leider gibt es viele Menschen, die seit ihrer Kindheit durch Fanatiker, die Intoleranz predigen, einer Gehirnwäsche unterzogen wurden. Wir brauchen einen Prozess zur Veränderung der Kultur. Dabei kommt es auch auf  die Änderung der Lehrbücher an, die die Gewalt gegen Christen unterstützen.“

All diesen Widrigkeiten zum Trotz kämpft der Abgeordnete Dr. Emad Gad auch weiterhin für die Rechte der ägyptischen Christen. Er lässt sich nicht zum Schweigen bringen und akzeptiert die Risiken, die mit seiner mutigen Haltung verbunden sind. Doch er ist nicht allein und wird sogar, wie er sagt, von einigen muslimischen Kreisen unterstützt. Die Zukunft der größten christlichen Gemeinschaft im Nahen Osten steht auf dem Spiel.

Von Engy Mady

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